Die Cookieless-Ära kommt. Wie können Marketers auch ohne Cookies arbeiten? Welche Daten spielen künftig die Hauptrolle? Wir haben im Schober-Blog bei Dino Bongartz, CEO von TheADEX, nachgefragt.
Was bringt das Jahr Neues für Marketers und Advertiser?
Dino Bongartz: Das Jahr bringt neben Corona und den damit verbundenen Herausforderungen auch weitere Veränderungen im Bereich Datenschutz. Neben den vielen Unsicherheiten und Fragen rund um DSGVO, eprivacy, TCF 2.0 und Co. steht vor allem das BGH-Urteil zum Thema Consent im Mittelpunkt. Der BGH hat jetzt entschieden, dass ein voreingestellter Consent, also eine Zustimmung per Default, nicht gesetzeskonform ist. Man muss ab sofort die Zustimmung so einholen, dass der Nutzer eine eindeutige bestätigende Handlung vornimmt. Also freiwillig und aktiv, z.B. durch das Setzen eines Hakens, in die Nutzung seiner Daten einwilligt. Das bedeutet, dass wir uns erneut mit dem Thema beschäftigen müssen, wie Daten erhoben, verarbeitet und genutzt werden.
Datenbasiertes Marketing steht vor großen Änderungen. Was kommt mittelfristig auf die Marketers zu?
Dino Bongartz: Die Nutzung von Daten wurde und wird bei vielen Marketingstrategien immer noch vernachlässigt. Anders gesagt: Unternehmen haben vielfach keine stringente Datenstrategie. Das Sammeln von 1st-Party-Daten in einer DMP und das Kombinieren mit weiteren, 2nd- und 3rd-Party-Daten, beispielsweise auch von externen Anbietern wie Schober, sollten für jeden Werbetreibenden Standard sein. Während und nach Corona wird es noch wichtiger sein, mit den Marketingbudgets auch Performance-Ziele zu erreichen. Der Bereich Datenschutz und das Thema Consent sind leider nicht einfacher geworden. Hier werden Werbetreibende und Publisher weiterhin mit vielen Fragen allein gelassen. Daher sollte man bei der Auswahl seiner Dienstleister darauf achten, dass sie über lokale Expertise verfügen und aktuelle Regelungen und kommende Herausforderungen im Blick haben.
Bedeutet das Ende des Cookies auch das Ende der personalisierten Kundenkommunikation?
Dino Bongartz: Nein. Es gibt inzwischen viele Ansätze, um auch ohne 3rd-Party-Cookies ein zielgenaues Targeting anbieten zu können. Mit den neuen, cookielosen Methoden ist es sogar möglich, schon verlorenes Inventar wieder zurückzugewinnen und mehr Reichweite als vorher zu haben.
Welche Alternativen gibt es zum Cookie?
Dino Bongartz: Neben Notlösungen wie dem kontextuellen Targeting oder Impression-basiertem Predictive Targeting setzen wir beispielsweise auf unsere eigene Cookieless-Technologie, die es ermöglicht, den 3rd-Party-Cookie zu ersetzen. Dazu arbeiten wir mit verschiedenen Identifiern wie u.a. MAIDs (Mobilen Ad IDs), Login-Daten und externen IDs wie der NetID und führen diese dann mit mithilfe von Machine Learning zu einer Targeting-Lösung zusammen.
Wie können Marketers sich die Hoheit über ihre Daten aus den Kundenbeziehungen sichern?
Dino Bongartz: Jeder Marktteilnehmer, egal ob Publisher oder Marketer, hat in mehr oder weniger großem Umfang eigene Daten. Publisher setzen zu deren Nutzung inzwischen in den meisten Fällen auf eigene Technologie und ihre DMP. Bei Marketern ist teilweise immer noch der Glaube verbreitet, dass man keine digitale Datenstrategie benötigt oder eine solche zumindest kein High-Prio-Thema ist.
Ich kann nur jedem Werbetreibenden raten, eine Datenstrategie zu entwickeln und sich mit einer eigenen DMP auch die Hoheit über die eigenen Daten zu sichern, um nicht in unliebsame Abhängigkeiten zu geraten. Es ist ja kein Geheimnis, dass die Dominanz der US-Player vor allem auf Daten beruht, die sie über die Nutzer sammeln. Dazu zählt dann auch, den eigenen Technologie-Stack wohlüberlegt auszuwählen. Es kann nicht sein, dass man als Advertiser in Europa Technologie einsetzt, die einen unumkehrbaren Lock-In mit sich bringt. Damit geht man sehenden Auges in eine totale Abhängigkeit und langfristig in die Bedeutungslosigkeit.
Wenige große oder viele kleine Player – was führt im Marketing zu mehr digitaler Innovation und besserem Service für Kunden?
Dino Bongartz: Es gilt weiterhin: Konkurrenz belebt das Geschäft. Wenn es später nur noch fünf Großkonzern gibt, die sich den Markt aufteilen, wird der Service auf Minimalniveau abrutschen und Innovation steht nicht mehr ganz oben auf der Agenda. Ganz zu schweigen von kritischen Abhängigkeiten: Wenn man seine Waren nur über eine einzige Plattform anbieten kann oder es nur einen Video-Dienst gibt, können Monopolisten beliebig Preise, Konditionen und Geschäftsbedingungen diktieren. Die „The winner takes it all“-Methode der großen Plattformen ist also auch volkswirtschaftlich ein immenses Risiko.
Welche Daten und Datentechnologien sollten Marketers nutzen? Wieviel Datenexpertise sollten Unternehmen inhouse haben?
Dino Bongartz: Ob man die Expertise im eigenen Haus haben muss, hängt von der Größe und der Komplexität des werbetreibenden Unternehmens ab. Man sollte aber in jedem Fall auf eine eigene Technologie in Form von DMP und CDP zurückgreifen, damit man seine 1st-Party-Daten aufbereiten und 2nd- und 3rd-Party-Daten dazunehmen kann. Eine Kombination von DMP und CDP – wie Euer udo – ist gerade für kleine und mittlere Unternehmen eine leicht umsetzbare und schlagkräftige Lösung.
Abgesehen von den dramatischen wirtschaftlichen Folgen: Siehst Du durch Corona auch Durchbrüche, die so sonst nicht gelungen wären?
Dino Bongartz: Die meisten Folgen werden uns noch langfristig begleiten, und die Erholung des Arbeitsmarktes und von Branchen wie Tourismus wird ein langer Weg. Die Pandemie hat auch viele strukturelle Defizite aufgezeigt, wie die Unter-Digitalisierung von Schulen und Universitäten oder Behörden und Ämtern. Es gibt immer noch weiterführende Schulen, in denen die Kinder in der 10. Klasse das erste Mal einen PC kennenlernen. Oder Kfz-Zulassungsstellen, bei denen man drei Stunden vor Ort warten muss, um ein Auto anzumelden. Dabei ist das digital mit nur drei Klicks möglich. Es wäre schön, wenn man aus der gegenwärtigen Situation lernt, Digitalisierungsimpulse aufgreift und weiterentwickelt und alles, was man digital abbilden kann, auch konsequent umsetzt.
Dein größter Wunsch bis zum Ende des Jahres?
Dino Bongartz: Ich würde mir wünschen, dass im Bereich Datenschutz Klarheit herrscht, was man machen kann und soll. Dazu gehört, dass sich auch ausländischen Unternehmen, die in Europa tätig sind, faktisch endlich an dieselben Datenschutzgesetze halten müssen, wie Unternehmen aus dem europäischen Markt. Es kann nicht sein, dass man als große ausländische Social-Media-Plattform mit einer schlagkräftigen Rechtsabteilung Dinge macht, für die ein deutscher Publisher sofort abgemahnt wird. Hier ist die Politik gefragt, den Binnenmarkt zu schützen und Recht länderübergreifend auch konsequent durchzusetzen.
Abseits des Business würde ich mir wünschen, dass zu Beginn des neuen Schuljahres jedes Kind ein Tablet bekommt und man damit aus der Schul-Steinzeit ins digitale Zeitalter tritt.Bei beiden Wünschen bin ich mir nicht sicher, wie realistisch sie sind. Aber dafür sind Wünsche ja da.
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