Nur wo Kunden sind, kann Umsatz sprudeln

Mit Geo-Analytics zur Kundenbindung

Hotspots für das neue Filialkonzept: Wohin sind Kunden abgewandert und wie halten Unternehmen neu gewonnene Kunden?

 

von Sven Waldenmaier, Geo-Spezialist und Teamlead Sales bei Schober

Kein Zweifel: Die Corona-Pandemie hatte starken Einfluss auf das Filial-Geschäft und die Kundenbindung. Lange Zeit waren Geschäfte ganz geschlossen, so dass Konsumenten alternative Einkaufswege gesucht haben. Doch welche Entwicklungen werden bleiben, welche verschwinden? Mit dieser Fragestellung kam eine große Drogerie-Kette auf uns zu. Das Ziel: Das Filialnetz überprüfen und gegebenenfalls neu ausrichten. Denn nur wo Kunden sind, kann der Umsatz auch sprudeln. Also, wo sind die Kunden?

Räume qualitativ und quantitativ bewerten

Der Ausgangspunkt unserer Analysen waren zwei zentrale Fragen. Erstens, wie lassen sich Gebiete mittels Daten quantitativ bewerten und so Hotspots ermitteln? Zweitens ging es auch um eine qualitative Einordung von Kunden. Denn es nutzt wenig, wenn man eine Filiale zwar an einem frequentierten Punkt betreibt, dort für das Angebot der Drogerie aber nur wenig Nachfrage besteht. Eine Tankstelle in der Fußgänger-Zone macht keinen Sinn, das ist unmittelbar klar. Für weniger offensichtliche Fälle benötigen Geschäftsentscheider aber tiefergehende Informationen – etwa zur Kaufkraft der Passantenströme. Denn im Extremfall können die Kosten für die Filiale höher sein als die erzielbaren Umsätze. Das mag der Apple-Konzern mit seinen Brand-Stores auf sich nehmen, denn es geht hier vor allem um Awareness. Unsere Drogerie-Kette aber verfolgt ein anderes Geschäftsmodell, hier ist die Filiale zentraler Vertriebsweg.

Gestartet haben wir daher mit einer bundesweiten Analyse der Passantenströme in rund 200 Gebieten mit hoher Geschäftsdichte – also Fußgängerzonen, Innenstadtlagen und Einkaufszentren. Die Schober Information Group verfügt über mehr als 55 Millionen „Unique Mobile IDs“. Auf Basis dieser anonymisierten und damit datenschutzkonformen Identifikatoren lassen sich Passantenströme in definierten Gebieten ablesen und interpretieren. Das Vorgehen im Detail:

  • Schritt 1: Definition von Rastern (170m Kantenlänge) um den jeweiligen Standort der bestehenden Filialen.
  • Schritt 2: Angabe der Passantenfrequenz je Raster. Wie hoch ist diese im Vergleich zum bundesweiten Durchschnitt, wie hoch ist sie im Vergleich zu anderen Innenstadtbereichen?
  • Schritt 3: Wie hoch ist der Anteil von Personen mit Affinität zu Drogerien im jeweiligen Gebiet im Vergleich zu Gesamtdeutschland?

Qualifizieren, qualifizieren, qualifizieren

Schritt drei ist entscheidend, um die zunächst rein quantitative Betrachtung um qualitative Merkmale zu ergänzen und damit wirklich verkaufsfördernde Insights zu gewinnen. Aufgrund von Affinitäten lassen sich Passantenströme und Filialbesucher nämlich genauer qualifizieren und Rückschlüsse auf Interessen ziehen. Wer drei Mal in der Woche in ein Sportstudio geht, hat eine höhere Affinität zu Sportbekleidung und Körperpflege (hoffe ich jedenfalls) als andere Passanten. Wer hingegen jeden Tag (auch am Sonntag) durch die Fußgängerzone einer Großstadt bummelt, sucht eher Unterhaltung als gezielt nach Einkäufen. Wer vorwiegend die Filialen von Discountern aufsucht, ist preissensitiver als der Abonnent eines High-End Luxus-Spa in der Innenstadt. Welche Wettbewerber haben Besucher meiner Drogeriefiliale vorher besucht und was kaufen sie dann? Nun werden die Daten zwar anonym erhoben, aber aus dem Aggregat lassen sich entscheidende Erkenntnisse ziehen.

Entlang der analogen Customer Journey

Noch mehr Insights gewinnt, wer Dritt-Daten – etwa das Schober Datenuniversum – für die Analyse hinzuzieht. Unsere Drogeriemarkt-Kette hat diese soziodemografischen Daten gezielt genutzt, um zusätzlich Kaufkraft, Familienstruktur, Wohnverhältnisse und viele weitere Attribute der Passanten-Ströme im Filial-Umfeld und den Filial-Besuchern zu ermitteln. So lässt sich erkennen, wie die Bewohner eines kaufkräftigen Villen-Vorortes bevorzugt shoppen oder wo Familien aus den „Speckgürteln“ von Hamburg, Dresden oder Cottbus einkaufen gehen. Die Beispiele zeigen: Geomarketing macht die analoge Customer Journey – Orte, Wege, Einkäufe – der Kunden transparent und damit steuerbar.

Profilieren, damit Kunden und Anbieter gleichermaßen profitieren

Denn nur wer weiß, wo sich seine Zielkunden aufhalten, wo sie einkaufen gehen und welche Interessen sie sonst haben, kann Zielgruppen- und Besucheranalysen mit hoher Präzision erstellen. Das ist die Voraussetzung für die Profilierung der Zielgruppen nach Personas und in Folge für eine verkaufsstarke Ansprache: An welchem Ort sollten Werbetafeln auf das Filialangebot hinweisen, wo Prospekte verteilt werden, wer mit Angeboten in das Outlet gelockt werden? Zusätzlich lassen sich Standorte genau bewerten und Hotspots identifizieren. Wer seine Zielgruppen profiliert, kann genauer auf ihre Nachfrage eingehen und Angebote dort machen, wo sich mit hoher Wahrscheinlichkeit Umsatz drehen lässt. Und genauso kann man mit diesen Insights auch gezielt Online-Angebote machen, die das Filialnetz als Hauptvertriebsweg an entscheidenden Stellen ergänzen.

Was bleibt, was verschwindet?

Damit zurück zur Drogerie-Kette und den Pandemie-Folgen: Wie stark hat das Filialumfeld gelitten? Wie stark ist die Frequenz der Filialbesucher zurückgegangen und wie schnell hat sie sich nach den Lockdowns erholt? Welche Rolle spielen Inzidenzwerte, Lage, Umfeld? Das hatten wir untersucht und im Fall der Drogerien zunehmende Filialbesuche feststellen können. Klar, denn Drogerien waren als Lieferanten des täglichen Bedarfs auch im Lockdown weiter geöffnet – im Gegensatz zu Parfümerien und Sportfachgeschäften, die komplett auf Online umstellen mussten.

Ablauf Geofencing

Ablauf Geofencing Analyse

Die Kunden-Abwanderung der Fachhändler ist für Drogerien also tatsächlich eine Zuwanderung – neue Kunden konnten unter anderem im hochpreisigen Duftsegment gewonnen werden, auch Sportartikel waren stark gefragt. Bleiben die neuen Kunden den Drogerien auch nach dem Lockdown treu? Die Analysen aus dem Geomarketing zeigen, dass beachtliche 17% der Kunden, die vor dem Lockdown unterschiedliche Filialisten frequentiert haben, nach dem Lockdown ausschließlich bei Drogerien verbleiben. Wie die optimale Reaktion auf diesen Wechsel aussieht, hängt von der Perspektive ab: Fachhändler wie Parfümerien und Sportfachgeschäfte ziehen – so die Analyse von Passanten und Besucherströmen – vor allem eine kaufkräftige Klientel im Alter von 40 bis 59 an, die sich auch sonst im Umfeld von Spas und Kosmetikstudios, exklusiven Mode-Boutiquen und Feinkostläden bewegt. Um diese Kunden zurückzugewinnen, müssten die Fachhändler ihre Filialen an den identifizierten Hotspots ausbauen. Drogerien hingegen sollten ihre angestammten umsatzstarken Standorte im Umfeld von Kinos, Fitnessstudios oder Shops für Babybedarf durch neue Standorte an Lifestyle-Hotspots mit erweitertem Sortiment ergänzen. Neben der Standort-Wahl sind auch gemeinsame Marketing-Aktivitäten mit geeigneten Unternehmenspartnern aus den durch das Geomarketing identifizierten Bereichen vielversprechend – Cross-Selling und Co-Marketing können die neuen Kunden nachhaltig binden.

Größter Wettbewerber aber bleibt der Kauf im Internet. Deshalb sollten alle Filialisten drei Maximen befolgen: Investieren Sie in Hotspots und das geeignete Sortiment, komplettieren Sie Ihr Filialangebot mit einem Web-Shop und vor allem denken Sie Filiale und Online-Shop zusammen. Denn Umsätze sprudeln für Händler nur dann, wenn sie genau an dem Ort präsent sind, wo auch ihre Kunden sind.

Sieben Leitfragen: Ist Ihr Filialnetz optimal ausgerichtet?

  1. Wissen Sie, wer Ihre Filialen in welcher Frequenz besucht?
  2. Können Sie Hotspots bundesweit identifizieren?
  3. Wohin wandern Kunden ab, woher gewinnen Sie Kunden?
  4. Nutzen Sie Ihr Cross- und Upselling-Potenzial gegenüber Nachbar-Geschäften?
  5. Kennen Sie analoge und digitale Customer Journey Ihrer Zielgruppen?
  6. Können Sie Zielgruppen für eine verkaufsstarke Ansprache profilieren?
  7. Denken Sie Filial- und Online-Geschäft integriert?

 

Sven Waldenmaier

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Ihr Sven Waldenmaier

 

 

 

 

Dieser Artikel erschien am 21.06.2021 unter anderem in der Zeitschrift Marketingbörse.

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